Dr. Heidrun Wirth
Auszug aus der Einführung anl. der Gruppenausstellung "Neustart" im Kunsthaus Troisdorf 2021
Auch wenn Margrets Schopkas Wandstücke an großartige barocke Teppiche erinnern, denken wir nur einmal an die Flämisch-Französischen Tapisserien, gehören sie doch zu jener Art Kunst, die sich kaum auf eine dekorative Ausgestaltung beschränken dürften.
Treten wir näher, dann erwartet uns ein Kosmos, der etwas organisch Gewachsenes hat, der nie zu Ende kommt, an dem die Künstlerin wie die Nornen in der alten germanischen Mythologie, immer weiter arbeitet. „Ich mache nichts mehr neu, ich überarbeite nur noch“, sagt sie selbst.
Hier geht eine stille Veränderung vor, die sich in den unmittelbar aus der Natur gegriffenen Blüten, Blättern und Moosen abzeichnet, die sich mit den von vorn nach hinten durchgezogenen Fadenschlingen eines riesigen Stück Teppichbodens verbindet, den Margret Schopka hier zum Bildträger gemacht hat , während sie dort ein Nichts als Bildträger gewählt hat, ein transluzides Nichts, transluzid wie die Zahl „Null“ in Form von durchsichtig gläsernem Tapetenkleister. Geformt, bearbeitet, geschönt, bereichert auch mit Ornament-Siebungen von Kaffeesatz oder Vulkanasche. Diese gewaltige Arbeit wirkt hier kraftvoll und imposant im Raum. Margret Schopka verwendet äußerst sparsame Materialien wie den gebrauchten Teppichboden, die gefundene Vulkanasche, den Tapetenkleister oder die Blüten, die sie findet. Sie arbeitet experimentell und entwickelt aus den allerdünnsten kleinen Algenfäden ihre eigene Kalligrafie. Es geht dabei um ein Werden und Vergehen, eingebunden in eine quasi unantastbare Natur, dem die über weite Strecken in Island lebende Künstlerin ihr besonderes Augenmerk widmet, ohne ihr je zu nahe zu treten oder sie gar zu zerstören.
Sehr persönlich ist ihre Tagebuchwand, die ebenfalls Köpfe enthält, größere und winzig kleine, sogar einen aus einer Kastanie geschnitzt. Zugleich korrespondiert sie damit auch wieder mit den Drahtköpfen von Rosemarie Stuffer oder von Rolf Scheider,
Achten Sie auf diese diffizilen Materialien und Sie werden noch etwas entdecken: Es ist auch weithin eine „Arte Povera“, eine Kunst mit einfachen unprätentiösen Mitteln. Allen vieren geht es dabei um Form und Deformation, um Klarheit und Verschleierung und eine Umwidmung unserer alltäglichen Wahrnehmung. Wir dürfen staunen und das macht eine Kunstausstellung in diesen restriktiven Coronazeiten doppelt wertvoll.
Dr. Heidrun Wirth, Kunsthistorikerin und Journalistin
Performative Land-Art in Island von Margret Schopka
Auszug aus dem Vortrag auf dem 45. Kölner Island-Kolloquium
„Kunst im öffentlichen Raum“, das klingt gut und ist doch gar nicht so einfach, insbesondere, wenn man sich wünscht, dass die Kunst vielleicht auch noch unseren Kindern und Enkeln gefallen möge. Es gibt schnellere oder langsamere Veränderungen in der Einschätzung und Wahrnehmung, bestimmt von dem sich ständig ändernden Zeitgeist. Ein Wandel in der Einschätzung kann sich aus vielen Quellen speisen, aber wir dürfen sicher sein, alles ändert sich ständig, ist sozusagen im Fluss wie die Mode.
Wer weiß denn, wie unsere Kinder und Enkel überhaupt von den Kunstwerken sprechen,, insbesondere von denen, die in Deutschland die Plätze und Brunnen unserer nach dem Krieg so schnell hochgezogenen Kleinstädte zieren oder auch nicht zieren. Wie wird das denn weiter gehen?
Man sieht es schon heute: Die immer mehr Raum beanspruchenden Plastiken und Installationen wandern in die sich immer weiter ausdehnenden Depots unserer Museen und tragen zu deren immer größeren Aufquellen bei.
Ganz anders die Kunst, über die ich jetzt sprechen möchte. Die Land Art –Künstlerin Margret Schopka zeigt in ihrer performativen Land Art eine neue Einstellung zur Kunst, getragen von einer wunderbaren neuen Poesie. Ihre Kunstwerke stehen nicht als Objekte in einer Landschaft, indem sie die Landschaft wiedergeben oder sie als attraktiven Hintergrund nutzen, sondern sie schaffen die Landschaft neu. Bei Margret Schopka entsteht Land Art als Ausdruck der Behutsamkeit, des Nachdenkens und der ästhetischen Freude.
Island hat sie in ihrer Kunst geprägt, über die vielen Jahrzehnte hinweg, in denen die in Hamburg geborene Künstlerin regelmäßig die Sommermonate mit ihrem Mann Sverrir auf der Insel verbrachte und noch verbringt.
Sie lernte dort eine Landschaft kennen, in der die Elemente kompromisslos zu Tage treten: Das Meer mit dem gischtenen Meeressaum steht für das Wasser, das vulkanische Gestein mit der allerfeinsten Vulkanasche für Feuer wie für Erde, der unbegrenzte Himmel für die Luft bei Tag und Nacht. Das ist die Insel. Es fehlen die Wälder, vor allem aber fehlt auch weitgehend der Mensch mit seinem Eingreifen und seinen kulturellen Spuren, die er stets und überall, liebend gern oder auch ungefragt hinterhältig hinterlässt. Die Bevölkerungsdichte beträgt in Island 3,4 Einwohner pro Quadratkilometer. Dort entstand ihre Land Art. Doch was versteht man eigentlich darunter?
Wer über dieses Land geht, ist auf sich selbst geworfen und nimmt die Dinge um sich herum wohl konzentrierter wahr. Er sieht, wie eigenwillig sich die Nähe direkt unter den Füßen überschneidet mit der Weite und Ferne ungreifbarer Horizonte, und er spürt wohl die ständige Veränderung dieser vulkanischen Landschaft mit dem ständigen Nachschub von schmelzendem Gestein, das das Auseinanderdriften der Insel verhindert. Unberechenbarkeit, aber auch eine ewige Zeitlosigkeit entspringen aus diesen Elementen, die hier offen zu Tage treten und dem Menschen ein Staunen abnötigen.
Was sehen wir aber auf diesem Bild, entnommen aus einem kleinen dokumentarischen Künstlerbuch von Margret Schopka?
Die Kunst ist ins Spiel gekommen. Da sind unzweifelhaft menschliche Spuren, die gewisse menschliche Rhythmen vorgeben. Es sind weiche Schwünge, die die Motive an den schwarzweißen Bergrücken aufzunehmen scheinen, sogar den schrundigen Verlauf der Hügelwand im Mittelgrund.
Dokumentiert und zugleich in Poesie verwandelt ist hier ein Stück Land Art entstanden. Minimalistisch im Eingriff und doch unübersehbar präsent und ästhetisch beglückend ist das Ergebnis dieser Begegnung mit der isländischen Welt, ein Feenreich, das schlicht aus dem performativen Akt des Einsiebens entstanden ist, denn zu Grunde liegt eine Mehleinsiebung.
Die Künstlerin hat sich mit diesem Einsieben der naturbelassenen Oberfläche ganz auf das Vorgefundene eingelassen. Die Konturen verschwimmen, wir wissen nicht genau, wo die Natur in den schöpferischen Akt der Künstlerin übergeht. Das Weiß tritt in Kontakt mit dem Vulkan in der Ferne.
Wir sehen aber unschwer, dass eine kulturelle Prägung vorliegt, denn die Ornamente, die durch aufgelegte Schablonen aufgetragen sind, können in ihrem ornamentalen Schwung und Rhythmus doch nur vom Menschen stammen, wenngleich es natürlich auch in der Natur Rhythmen gibt, die wir erkennen, wie Insektenspuren, Abschliffe von Gesteinen und so weiter. Aber wir sehen zugleich, dass es das alles nicht sein kann. Es ist und bleibt unverkennbar ein spezifisch menschlich kultureller Eingriff.
Diese Arbeit wurde nach der Fertigstellung in diesem Zustand fotografiert und das Foto wurde später Teil eines Fotobuches, in einem kleinen nur postkartengroßen Format, auch das soll gesagt werden in den Zeiten, wo die Fotobücher wie die Kunstkataloge immer dicker und schwerer, aber deshalb nicht unbedingt interessanter werden.
Damit wurde die Arbeit zwar dokumentarisch bewahrt, doch am Ort des Geschehens ist sie bald unwiederholbar verloren, zurückgenommen von diesen strengen Elementen, die nicht mit sich spaßen lassen, die nicht Halt machen vor pyroklastischen Strömen, vor kilometerhohen Eruptions- und Dampfsäulen und gewaltigen Ascheregen.
Mit dieser Einsiebung von Vulkanasche auf Schnee geht es nun umgekehrt zu: Schwarz wird auf Weiß aufgetragen.
Im Mittelalter wurde am Gipfel der Hekla das Tor zur Hölle vermutet. Als der Berg im Jahr 1104 ausbrach, wurde die Besiedlung eines ganzen Tals unmöglich. Muss man dem Berg Opfer bringen? Vielleicht. Nicht dem Berg, sondern der grandiosen Natur, wie sie von einem Schöpfer geschaffen wurde.
Mythen kommen mit ins Spiel und schon Robert Smithson legte in seiner Earth-Art dar, dass diese Kunst nicht nur auf die topologischen Gegebenheiten reagieren würde, sondern auch in Bezug auf seine psychologischen Resonanzen. Und die reichen von den Mythen, die der Landschaft inne wohnen bis zum Tun und Befinden der Künstlerin. Margret Schopka greift mit ihrem Sieben dabei auch auf archaische Handlungsformen des Menschen zurück.
In Rangun im fernen Myanmar fegen die Mädchen Tag für Tag für ihr Seelenheil (das heißt für eine bessere Existenz im nächsten Leben) den Boden der großen Schwedagon-Pagode blitzblank. Das performative Fegen besteht wie das Sieben, das schon Kinder so gern machen, in der immer gleichen Wiederholung im Tun und damit in einer minutiös feinen Annäherung (mit der Tendenz nach unendlich) sich etwas Vollkommenem anzunähern.
Hier auf diesem Bild ist es die dunkle feine Vulkanasche selbst, die ein wundersames Spiel treibt.
Welchen Boden können wir betreten?
„Als im Jahre 1750 die Aufklärer Eggert Olafsson und Bjarni Pálsson den Berg Hekla besteigen wollten, wurde ihnen dringend abgeraten, sich auf so ein „alle Teufel der Hölle herausforderndes Unternehmen“ einzulassen und -wie überliefert- „ein Begleiter verfiel aus Angst in starke Magenkrämpfe.“
Licht und Finsternis können diese Elemente einmal mehr verzaubern in dem Land knapp südlich des nördlichen Polarkreises und unversehens fällt der Blick auf den Boden, der unter unseren Füßen verschwindet und der Berg wird zu einer unnahbar fernen Silhouette. Die Arbeitsspuren aber sind hier wie Spuren im Tanz festgehalten, wie der Schreittanz im Labyrinth auf dem Boden der Kathedrale in Chartres oder wie die neu entdeckten Schreitspuren der Nasca-Kultur in den Prozessionswegen in den Anden.
Das einsame Land wird verzaubert. Indem Margret Schopka das Spiel mit dem Licht in der Landschaft um ihre gesiebte Ornamentik erweitert, betont sie die Schönheit dieser Landschaft, allerdings nur für diesen einen Augenblick. Bald bekommt die Natur wieder die Oberhand und das menschliche Tun ist nur noch Erinnerung.
Gisela Schwarz, Einführung am 10. Juni 2018 anl. der Ausstellung
Flüchtige Installationen - Keramische Arbeiten von Margret Schopka und Pauline Ullrich
iim Museum Zündorfer Wehrturm, Köln
Margret Schopka war einst fasziniert von den Gobelins, den Wandteppichen der Spätgotik mit den ornamentalen Dekors, den tausenden Blüten, stilisierten Pflanzen und Ranken, auf deren bewegten Flächen sich bildliche Darstellungen entwickeln. Eine hohe Symbolik hat diese Bildsprache der Millefleurs, der 1000 Blumen – als Mariensymbolik stehen sie im Zusammenhang mit dem aus der Interpretation des Hohen Liedes abgeleiteten Motives des „Hortus conclusus“, des Paradiesgärtleins:
„Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell“.
Diese Wandteppiche haben vor vielen Jahren die Künstlerin so fasziniert, dass sie ihre eigene Bildsprache aus dem Gedanken der Millefleurs, der Millefiori, entwickelte in einer zeitgenössischen Bildsprache – auf der Rückseite von Industrieteppich verbindet sie tausende von Blütenblättern – von Tulpen und Rosen vor allem, auch Hibiskus und Bauernrosen bilden die bewegten Flächen mit den verblassenden Farben. Morbide Zeichen der Vergänglichkeit und Ewigkeit und den Rückblick auf das Dasein vermitteln auch eingearbeitete Objekte – wie Klöppelspitzen mit Ornamenten, die sich aus dem Bildgrund plastisch in den Raum ergießen – ein Hortus conclusus, ein Paradiesgarten des 20./21. Jahrhunderts, mit allen Zeichen des Vanitas, der Vergänglichkeit.
Ihre Entsprechung finden Margret Schopkas Blütenteppiche in Pauline Ullrichs Keramikobjekten – eine Darstellung des Menschen, des Menschlichen, in einem Pendeln zwischen Abstraktion und Figurativem.
Zitat „Bei der Darstellung von Menschen geht es mir in erster Linie um die Frage, was wohl dahinter stehen mag – um das nicht Darstellbare, nicht vordergründig Ersichtliche“, hat sie mir in unseren Vorgesprächen gesagt.
Ihre Wesen entwickeln sich aus dem Boden in Wellen und Schichten in eigenem Rhythmus – sie schreiten, stehen, drehen sich, je nach Blickwinkel und Lichteinfall entwickeln sie archaische Urformen menschlicher Bewegung, jedoch nie eindeutig. Nur der Kopf entwickelt eine reduzierte menschliche Form. Er hat etwas geheimnisvoll Wesenhaftes, in sich gekehrt, verschlossen, wie in einer Traumwelt verharrend.
Zitat „Es sind Gesichtslandschaften, die sich nicht dem oberflächlichen Blick erschließen, sondern Erfahrung einfordern – Seherfahrung und Erinnerung an Traummomente...“ so definierte einmal der Schriftsteller Thomas Böhme Pauline Ullrichs Arbeiten zu der Magdeburger Ausstellung „Kopfansichten“.
Überraschende, fast selbstverständliche Synergien gehen die Keramikplastiken von Pauline Ullrich mit den Blütenteppichen von Margret Schopka ein – sie korrespondierenden im Licht und Schatten an den rauen Wänden des Wehrturms, entwickeln ein Licht- und Schattenspiel bei den Durchblicken und beim Erklimmen des Turms, in dem einfallenden Licht durch Schießscharten und Fenster.
Vor allem in den Vitrinen entwickeln die Blütenteppiche und Plastiken eine neue Definition des Paradiesgärtchens, statt des Einhorns oder einer Marienfigur wandeln eine oder mehrere Figuren vor, manchmal direkt neben den Wandarbeiten, die wie Landschaften mit Himmel und Erdschichtungen und Gärten wirken. Dies ist neu formulierte Kulturgeschichte – wie bei den Bildnissen Al Fresco und Tarquinia, die gerade frisch aus antiken Ausgrabungsorten geborgen zu sein scheinen. Oder literarische Gestalten aus Gotik, Rokoko, Barock.
Ist es Keramik, werden Sie sich fragen beim genaueren Blick auf Pauline Ullrichs Plastiken? Ja, es ist Keramik, Keramik, die wie colorierter Marmor oder wie Erdschichtungen wirkt. „Ton und Stein haben Verwandschaft – doch es gibt einen großen Unterschied – die Gestaltungsmöglichkeiten beim Ton sind viel größer als beim Stein“, sagt Ullrich. Sie arbeitet Fundstücke als Erinnerungsstücke ein, Ostseegläser, Bergkristalle, stempelt Hölzer, Schriften, Ornamente ein, lässt Austernschalen beim Brand die Glasur sprengen.
Sie verwendet Oxide, Pigmente, Aschen, spielt mit den chemischen Veränderungen beim Brand, dem sie manchmal den Sauerstoff entzieht, um Effekte wie bei der Holzfeuerung, dem Rakubrand, zu erzielen. Das ist die Technik, mit der Pauline Ullrich ihre künstlerischen Konzepte umsetzt. Sie bewegt sich zwischen Brocken und Wesen, zwischen Erdkruste, Stein und Menschlichem: „Bei der Darstellung von Menschen geht es mir in erster Linie um die Frage, was wohl dahinter sein mag – es geht nicht um das Darstellbare, sondern um das nicht vordergründig Ersichtliche.“
Mit diesem Konzept geht sie auch eine Symbiose ein mit Margret Schopkas Kaffeesatz-Objekten. In situ - vor Ort - hat Margret Schopka jene filigranen, aber prägnanten Werke geschaffen – aus dunkelbraunen Kaffeesatz-Schüttungen auf Spitzentüchern. Nur die filigranen Formen und Ornamentmuster bleiben erhalten, wenn Kaffee und Spitze vorsichtig vom Untergrund oder der transparenten Folie entfernt werden.
Schopka kombiniert diese Kunst oft mit Fotografien von Landschaften aus Island – diese Materialbilder scheinen Lavaformationen und Urlandschaften mit den menschlichen Möglichkeiten zu bändigen – der Versuch zu verstehen, was in der Tiefe vorgeht oder zu domestizieren, für menschliche Kulturen urbar zu machen. Im Ensemble mit Ullrichs Objekten wirken sie wie eine erweitere Reaktion auf Menschliches.
Oben unter dem Dach des Wehrturms haben die beiden Künstlerinnen eine große gemeinsame Installation inszeniert – zusammen mit der romanischen Architektur und den Säulen wirkt sie wie ein neues altes Welttheater.
Ernst Jünger „Im Kunstwerk lebt ein Glaube, der jedes Dogma überwährt.“
Margret Schopka hat Pauline Ullrich übrigens bei einer Ausstellung in der JVA Magdeburg entdeckt und sie zu einer gemeinsamen Präsentation hier im Wehrturm eingeladen. Eine glückliche Fügung, die Künstlerin aus Halle mit Studium an Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst und Design, ins Rheinland zu locken.
Jürgen Kisters, Kölner Stadtanzeiger anl. der Ausstellung: Flüchtige Installation - Keramische Arbeiten im Museum Zündorfer Wehrturm mit Pauline Ullrich
„Das passt“, denken die Besucher bereits auf dem ersten Treppenabsatz zur aktuellen Ausstellung im Museum Zündorfer Wehrturm. Dort kommen die von Naturelementen bestimmten Kunstwerke von Margret Schopka und die Tonskulpturen von Pauline Ullrich in stimmiger Selbstverständlichkeit auf engstem Raum zusammen, um das Empfinden beinahe ins Unendliche zu weiten. Dorthin, wo das Geheimnis im Zauber tausender Blütenblätter auf der Leinwand flattert. Und dorthin, wo der sanfte Ausdruck auf dem Gesicht einer Frauengestalt in eine ungeahnte Seelentiefe führt. Wir treffen auf die Materialien der Erde als Stoff, der unser Leben bestimmt, vorantreibt und zusammenhält. Und auf die Kraft einer Erinnerung, die jenseits postmodernen Gegenwartsbewusstseins mit den beständigen Kräften uralten Kulturgeschichte verbindet. Beide Aspekte kommen zusammen in der Arbeit der Künstlerinnen, die einander während einer Gemeinschaftsausstellung in einer Justizvollzugsanstalt kennengelernt haben.
Dass scheinbar sehr verschiedenen Bildkonzeptionen in einer ähnlichen Erfahrung schwingen können, ahnen die Ausstellungsbesucher bereits auf der ersten Etage des Zündorfer Wehrturms. Um danach bis in den siebten Stock hinein erstaunliche Variationen dieser Beziehung zu erleben. Unweigerlich denkt man bei den spiraligen Frauen-Figuren, die von der 1979 in Halle geborenen Pauline Ullrich in Ton geformt werden, dass der Mensch aus der Erde wächst. Und dass er, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, sein Gefühl für diese Erdung nicht verlieren sollte. Organische Vitalität und ein Hauch von Verfall berühren einander im verhaltenen Glanz der Oberflächenglasuren der Skulpturen. Wachsen und Vergehen, Leben und Tod gehören untrennbar zusammen. Allerdings müssen wir vor Ullrichs Skulpturen nicht intellektualisieren, um zu verstehen. Wir spüren es einfach.
Eine Poesie, die Werden und Vergehen aneinanderbindet, bestimmt auch das malerische und objekthafte Vorgehen von Margret Schopka, geboren 1943. Sie entwickelt ihre filigranen Bilder auf der Rückseite alter Teppichböden, indem sie unzählige getrocknete Blütenblätter und Farben miteinander verschmelzt. Oder sie streut in flüchtigen Installationen Kaffeesatz wie dunkle Erde als Landschaft über den Boden aus.
Die stets von einer sanften Einsamkeit umwehten Frauenfiguren von Pauline Ullrich werden durch Margret Schopkas Blütenbilder in einen Raum zwischen Verletzlichkeit und Morbidität gestellt, der weniger Angst macht als Sinn gibt. Poesie und Geheimnis kommen zusammen, wenn Pauline Ullrich die menschliche Figur als Steinschichtung aus einer Erdlandschaft Schopkas herauswachsen lässt, die im nächsten Moment verweht werden könnte. Es ist die Poesie einer Naturerfahrung, die den Verfall als Teil einer unendlichen Verwandlung zu verstehen vermag. Und es ist eine Poesie, in der weibliche Sanftheit als eine Erfahrung erscheint, die eher mit der Natur einen Einklang finden kann als die Gewalt des seit der Moderne bestimmenden männlichen Naturbeherrschungsprinzips.
Diese Kunst lässt uns für Momente eine Rückkehr in die Wirklichkeit uralter Mythen empfinden. Und damit zugleich die Sehnsucht, wir könnten noch einmal eins werden mit der Natur, die seit der Entstehung der Menschheit die Grundlage des Lebens ist. So bietet die Ausstellung viel Schönheit, allerhand Bezauberung und viel Material zum Nachdenken.
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Christina zu Mecklenburg
Zeitungsartikel anläßlich der Ausstellung "hörst Du den Brachvogel" im Künstlerfrum Bonn, 2015
Die faszinierende Landschaft Islands, Leben, Arbeiten mit und in einer abgeschiedenen, ursprünglichen Natur, bilden die Schwerpunkte des empfehlenswerten Teamprojektes "... hörst Du den Brachvogel". Lauschen kann man den Stimmen der Moor- und Watvögel, die Verwandte der Schnepfen sind, etwa an den stillen Ufern des Stiflisdal-See.
In ihre dort angesiedelte Wahlheimat hat Projektinitiatorin und Kuratorin Margret Schopka (Overath) in den vergangenen vier Jahren insgesamt neun Künstlerinnen zu einem Symposium eingeladen. Das Ergebnis der Arbeitsaufenthalte ist ein starker Mix aus poetischer und konstruktiver Land-Art, dokumentarischer und inszenierter Fotografie, Videokunst, Installation- und Objektkunst, zeichnerischen und malerischen Experimenten.
Eine vornehmlich sinnlich diktierte Bandbreite von mikro- und makrokosmischen Erkundungen pointiert allenthalben die herb raue Vitalität, den melancholischen Charme sowie die ökologische Dynamik Islands.
Heraufbeschworen werden vielfach stimmungsdichte Naturerfahrungsräume wie: verhangene Himmelszelte, Moore, Sümpfe, Fjorde, Felsen, Meeresufer, Gletscher und Vulkane, sanfte Hügelketten, Binnengewässer, Moos, Wild-Flora, Steingeröll, Lavaschotter, "Schwefelquellen", (Farbfotografie von Maresa Jung, Hennef), Geysire. Der archaische Spiritus Loci der Insel vibriert weiterhin in Anspielungen auf die Welt der Mythen, Märchen, Legenden (Nora Münch, Zürich), auf Luft- und Wassergeister.
Er ist präsent in rustikal inszenierten Pastoralen (Angelika Witteck, Köln), in mikroskopisch untersuchten Erd- und Waldgrundproben (Elisabeth Eberle, Zürich) oder gar in animierten Eis- und Steinmosaiken.
Glanzlichter der Hommage beschert Insiderin und Land Art Künstlerin Schopka in Gestalt von meditativen In-situ-Projekten oder verwittert morbider Naturornamentik (Fotodokumentation, Wandtapisserie) und einem lyrischen Abendhimmelprotokoll (Video).
Eine geistreiche Eskapade erlaubt sich derweil Ilse Wegmann (Bad Honnef) durch theatralische Formkonversionen und hurtige Dimensionsmutationen eines Wohnmobils.
Einladungskarte ....hörst Du den Brachvogel?
Rede von Inge Broska, Künstlerin, anläßlich der Verleihung des Kunstpreises der Galerie Judith Dielämmer 2014 an mich.
Archaische isländische Landschaften -langsam weich in der Ferne verschwindend- entstanden durch Ablagerungen in Millionen von Jahren, sind die vorwiegende Inspirationsquelle für die Arbeiten von Margret Schopka.
Nahezu alle ihre Arbeiten, auch wenn sie nicht die Landschaft als Thema haben bzw. darin entstanden sind, erinnern an landschaftliche Formationen: so auch Portraits, collagierte TausendBlumen-, Sandteppiche usw.
Die LandArt (ein modernes Kunstwort.. !!) von Margret Schopka ist eine behutsame unspektakuläre integrative Kunstform. Dagegen kann "Landkunst" zuweilen mit rigorosen Eingriffen von "Menschenhand" in die Natur, viel energetischem und finanziellem Aufwand einhergehen- Kunstmüll und ggf. bleibende "Wunden" hinterlassend. Ein Glück- es gibt auch viele postive Beispiele für Landschaftsveränderung. Margret Schopka hinterläßt keine bleibenden Spuren in der Landschaft. Ephemere Kunst ... eine umweltfreundliche im positiven Sinne "bescheidene" Variante der LandArt. Eins ihrer künstlerischen Merkmale. Sie arbeitet alleine auf sich gestellt in der weiten isländischen Landschaft und läßt sich vor Ort überaschen und inspirieren. Fast alle ihre Arbeiten sind vergänglich..... jedenfalls am Ort des Geschehens. So sind wir dankbar für die Hinterlassenschaften in der Dokumentation. Ein Sandteppich zB.- enstanden durch übersieben und sehr vorsichtige Wiederentfernung eines Tischtuches mit Lochstickerei, kann durch einen einzigen Windhauch oder eine kurze Regenschauer in Sekunden der Vergangenheit angehören. Ebenso die nach der gleichen Arbeitsweise entstandenen Grundrisse eines antiken Tempels aus der Renaissance-Epoche. Hier wurde das zarte textile Material durch von der Künstlerin ornamental ausgeschnittenen Teppichboden ausgetauscht und eingesiebt. Kurzfristige Naturlaunen können diese Schönheiten für alle Zeit wieder in´s Unsichtbare versinken lassen.
In der Kombination von Malerei und Fotografie als Collage entstehen fantastisch anmutende visionäre Landschaften. Hier "wachsen"durch Malerei- unter einer Landschaftsfotografie die Vision eines darunter sonst unsichtbaren Untergrundes. Da ist scheinbar eine senkrecht mit großem scharfen Messer durchtrennte reale schroffe FelsenFormation mit vielen Gesteinsbrocken und Felsspitzen usw. zu sehen, perfekt- naturalistisch gemalt darüber, beides nur getrennt durch eine feine dünne weiße Linie. Margret Schopka erklärte mir... diese Formationen wären beim Malen intuitiv "vor ihrem inneren Auge" entstanden. Das soll es ja geben... Dies ist mE. ja nur möglich, bei einer innigen Verbundenheit mit einer Landschaft bzw. einem Ort.
In einer anderen Collage wurde die Landschaft unter der Erdoberfläche durch ein surreales Gebilde (ehemals ein Brillenetui) mit fragiler sensibler Stickerei, ergänzt durch ein textiles Tigerfellmuster. Erotisch wollüstig, an ein großes Spiegelei erinnernd, umgeben von grünen Blättern, wie frischgekochter Spinat.
Unnachahmlich, unVerwechselbar ... eigenständig ist Margret Schopkas Arbeit...keine großen Vorbilder lassen aufdringlich grüßen !!! EatArt in höchster Vollendung. Viele Vergleiche aus anderen Bereichen drängen sich geradezu auf.. Worüber wandeln wir (mental,real) ?.
Nicht zuletzt die vor Ort entstandenen Blütenteppiche, wo unsereins drin baden möchte, werden der Natur wieder zurückgegeben. Bei manchen Teppichen schimmern jedoch noch die alten verblassten Muster der Original-Auslegeware aus Oma´s und Mama´s Wohnzimmer hindurch... Derzeit noch fester Bestand der künstlerischen Arbeit der Künstlerin... Wehmütig, tröstlich, doch ebenso irgendwann vergänglich...
Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras,
er blühet wie eine Blume auf dem Felde... und wenn der Wind darüber wehet
so ist sie nimmermehr da..
und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.....(aus Psalm 103).
Die Topographie des Paradieses
Liebe Gäste, Freunde, Frühlingsuchende - Ute Poeppel und ich heißen Sie, Euch, herzlich willkommen, ganz besonders natürlich Margret Schopka, als Künstlerin, deren Ausstellung „1000Blumenteppiche“ heute hier eröffnet wird. Es ist eine Premiere für uns: die erste Ausstellung einer Gastkünstlerin in den Weißen Gärten. Wir sind deswegen auch aus dem Häuschen vor Freude. Freude über die Werke und ihre Wirkung für diesen Raum, Freude, dies an Sie weitergeben zu können. Daher an dieser Stelle zuallerst ein großes Danke der wunderbaren Margret Schopka für ihre Mitarbeit.
1000Blumenteppiche ist ein Wort, an dem man schwer vorbei-hören kann. Im Gegenteil: Man möchte hinhören. Denn dies Wort klingt verheißungsvoll: nach Vergnügen für die Augen, für die Sinne, nach Bezauberung, nach Pracht, nach etwas jenseits unserer bekannten Vorstellungen. Ein vielversprechendes Wort also ausserhalb unseres Alltags-Wortschatzes, das uns anzieht, anlockt.
Margret Schopka ist schon seit längerem dieser Verlockung, dieser Spur gefolgt und heute Sie.
Sie führt einige Jahrhunderte zurück, ins Spätmittelalter, an den Hof burgundischer Fürsten. Und dort zu unermesslich kostbaren Schätzen, den tapis á mille fleurs, den Teppichen aus tausend Blumen.
1000 ist das Maß für den überwältigenden floralen Detailreichtum. So ungeheuer vielfältig und vielzählig schmücken Blumen diese aus feinster Wolle, Seide und Gold gewirkten Bild-Teppiche. Eigentlich
nur Gebrauchsgegenstand, waren den höfischen Herrschern ihre Teppiche vielmehr: Insignien von Reichtum, Macht und Bedeutsamkeit, die
Staunen und Bewunderung bei den Zeitgenossen und bei den touristischen Nachfahren hervorrufen.
Aber die Spur führt auch ins Unbehauste, in die Arktis, nach Island, zum kargen Boden, zum moosigen Grund, zum Wechsel der Jahreszeiten, der Lichtzeiten, zur Arbeit
mit Naturmaterialien, mit der Natur selbst.
Als Vertreterin der Land-Art arbeitet M. Schopka seit 1998 mit und auf der flüchtigen, sich wandelnden Erde Islands.
Und die Spur führt ins Atelier der Künstlerin, auch dort, zum Boden, dem alten Teppichboden. Eines Tages dreht sie ihn um, legt die Rückseite nach oben, um den Schmutz der Vorderseite vor den Augen zu verbergen. Und sie wird beginnen genau diese Seite, die verkehrte Seite des Teppichs als Ausgangspunkt für die künstlerische Arbeit zu wählen. Auslegware vom Sperrmüll wird fortan das Objekt ihrer Wahl: Zufällige Fundstücke, mit deutlichen Spuren des Gebrauchs gezeichnet. Gesäubert und geborgen, erschließen diese Kunst-Stoff-Reste für M. Schopka neu zu entdeckende fremde Bildterritorien.
Wie geht das zusammen? Das Kostbare, Erlesene, Hinreißende und das Unscheinbare, Wertlose und Abgenutzte? Das Künstliche und das Natürliche?
Vielleicht verwundert Sie das. Ich denke dazu, M. Schopka verwandelt die Dinge. Mit der ihr eigenen intuitiven prozesshaften künstlerischen Kraft begibt sie sich auf eine Reise, deren Ziel sie selbst nicht kennt. Sie folgt den Spuren, den alten, uralten, den neuen.
Seit 2000 bis heute sind von ihrer Hand 10 Tapisserien entstanden, Man kann auch sagen, jedes Jahr etwa 1 Teppich. Das stimmt nicht ganz so: an vielen hat sie über Schaffensprozess also, in dem beständige Überarbeitung die Vorgehensweise ist, analog eines Wachstumsprozesses.
Schicht auf Schicht schält und schabt sie Strukturen aus dem PVC-Schaumrücken des Teppichgrundes, collagiert sie frische Bütenblätter von zumeist Rosen oder Tulpen mit Tapetenkleister, modelliert sie mit Acrylfarbe Teppichinnereien, und Spitze. Fahle verblichene Farbtöne stehen neben frischen leuchtenden, helles wächst aus dunklen Gründen oderdie Jahre immer wieder weiter-gewirkt, Veränderungen von Details, Veränderungen der Veränderungen und so fort. Ein langsamer Schaffensprozess also, in dem beständige Überarbeitung die Vorgehensweise ist, analog eines Wachstumsprozesses.
Schicht auf Schicht schält und schabt sie Strukturen aus dem PVC-Schaumrücken des Teppichgrundes, collagiert sie frische Bütenblätter von zumeist Rosen oder Tulpen mit Tapetenkleister, modelliert sie mit Acrylfarbe Teppichinnereien, und Spitze. Fahle verblichene Farbtöne stehen neben frischen leuchtenden, helles wächst aus dunklen Gründen oderumgekehrt. Der Textilgrund bricht und bäumt sich unterschiedlich stark auf durch die eintrocknende Feuchtigkeit von Farbe und Kleister. Eine beinahe organische Materialverwandlung findet statt. Wir möchten irritiert fragen: lebt das Gebilde etwa?
Die burgundischen Fürsten sahen in ihren 1000Blumenteppichen ein vorgestelltes Bild des irdischen Paradieses: Die vielfältig sprießende Natur in ihrer vollen und zeitlosen Blüte, naturalistisch und botanisch exakt, ohne Anzeichen von Vergänglichkeit, war ihnen Vollendung.
Magret Schopka arbeitet dagegen im Fluss der Zeit, mit der Vergänglichkeit der Dinge. Sie arbeitet auch durchaus NICHT und schaut nur, wenn kein innerer Drang sie vorantreibt.
Vielleicht würde sie sagen: manchmal hat das Paradies eine Eigenschaft: Durchlässigkeit.
In diesem Sinne sei die Ausstellung eröffnet, ich wünsche Ihnen viel Lust bei der Betrachtung der Werke.
Einführung von Katrin Stender anläßlich meiner Ausstellung in der Kunstschule Jörk Kalkreuter, Hamburg 2009
BLATTGOLD , der Titel der Ausstellung, hat sicherlich auch in Ihnen bestimmte Vorstellungen ausgelöst. Ich habe an Bilder gedacht, in welche Blattgold aufgebracht und feingliedrig eingearbeitet wurde. Hier finden wir allerdings keine einzige Spur von Blattgold. In dem Gespräch, das ich gestern in Vorbereitung auf diese Ausstellung mit Margret führen konnte, habe ich erfahren, dass es ihr hierbei um etwas anderes geht. Blattgold steht vielmehr für einen Prozess,
für den Prozess, etwas Profanes zu erheben, für den Prozess, etwas Unbedeutendem ein goldenes Kleid anzuziehen, für den Prozess, etwas Vorgefundendes, Alltägliches ästhetisch oder materiell aufzuwerten.
Margret Schopka. versteht sich als Landartkünstlerin, als Malerin, als Objektkünstlerin, und ich möchte eigentlich fragen oder hinzufügen: auch als Collagistin?
Wenn man sich auf diese Arbeiten einlässt, dann scheint - mir – eine große Lust und Freude am Tun und Erschaffen entgegen. Man stößt auf einen sehr freien Umgang mit vorgefundenen Objekten, Formen und Farben.
Wir begegnen hier einem beeindruckenden Spannungsfeld, in dem das Schroffe und Herbe, dem Schönen und Sanften gegenüber gestellt ist. Wir sehen Fragiles, Brüchiges, so etwas wie feine, welkende Blütenblätter, und wir sehen auch Harsches, Abgelegtes, wie die Reste von PVC Auslegwaren. Und: wir sehen auch Island, und diejenigen, die Margret Schopka schon lange kennen, wissen, was es mit diesem Bezug auf sich hat.
Es ist eine kraftvolle Konfrontation, die eine sehr intensive bildnerische Bearbeitung erfordert, um letztlich die Synthese zu erreichen, das in sich geschlossenen, das stimmige Bild. M. S. gelingt dies, - in und mit großer Leichtigkeit, wie ich finde. Es gelingt ihr nicht nur in dem kleinen, flächenorientierten Arbeiten, Zeichnungen und Montagen, sondern ebenso bei den Installationen, die z.T: in der Natur realisiert wurden, teils in den Ausstellungsräumen oder auf öffentlichen Plätzen.
Der Ästhetik ihrer Arbeiten haftet etwas ausgeprägt Weibliches an, was sich besonders im Maß der Feinheit der Ausführungen und in den gewählten Materialien zeigt. Es hat etwas sehr Anrührenden, diese weiblichen Aspekte konfrontiert zu sehen mit der herben, den Blick so frei gebenden Landschaft Islands. Aber beide Aspekte, beide Seiten tragen sich gegenseitig und sind in Einklang gebracht.
Im Namen von Jörk Kalkreuter möchte ich sagen, dass diese Ausstellung von Margret Schopka für das Spektrum der Veranstaltungen, die hier und im Rahmen der Kunstschule bisher gezeigt wurden, als deutlicher Zugewinn empfunden wird und wir freuen uns, dass Margret Schopka die Gelegenheit genutzt hat, um „zurück in Hamburg“, ihre Arbeiten im engen Freundes- und Bekanntenkreis und damit auch uns zu zeigen.
Für Margret Schopka sind, wie sie mir gestern erzählte, die Teppiche derzeit das Herzstück ihres kreativen Schaffens. Hier wird es weitergehen, das spürt der Betrachter. Die Worte „absolute Liebe“ sind in diesem Zusammenhang gefallen. Vielleicht kann man von „Blattgoldglück“ sprechen.
Ich wünsche Ihnen einen erbaulichen Gang durch diese Ausstellung, die hiermit eröffnet sei, und möchte sie ermuntern all ihre Fragen an Margret Schopka zu richten. Es lohnt sich ganz sicher.
Spuren der Zeit: Margret Schopka in der Galerie Schröder und Dörr
von Holger Crump
Blüten und Blätter, Asche und Kaffeesatz, Gaze und Teppichboden – so vielfältig wie die Ausgangsstoffe sind auch die Werkgattungen, in denen die Malerin Margret Schopka zuhause ist. Die Ausstellung „Lyrische Verschmelzung“ in der Galerie Schröder und Dörr bietet einen guten Überblick über ihr Oeuvre, das sie selbst mit Poesie und Vergänglichkeit überschreibt. Die Schau überrascht mit einer zentralen Erkenntnis.
„Sammeln und gehen, das hat viel mit meiner Arbeit zu tun“, erklärt Margret Schopka. Die in Hamburg geborene Malerin hat ein Atelier in der Grube Weiß. Gleichwohl ist sie oft in Island unterwegs, dem Heimatland ihres Mannes.
Das Land, die Geografie, das Licht, Naturmaterialien wie Sand, Vulkanasche und Pflanzen gehören zu ihren Inspirationsquelle. Sie sind Ausgangspunkte für Buchprojekte, Collagen aus Foto und Malerei, amorphe Objekte, Land-Art.
Exponat als Momentaufnahme
Schopka ist äußerst vielschichtig in ihren Arbeiten. Verweist auf Poesie und Vergänglichkeit als Bezugspunkte ihres Oeuvres. Verweigert den Exponaten durch stete Überarbeitung gerne die finale Form, entwickelt intuitiv weiter, das Exponat ist oft nur eine Momentaufnahme.
Konsequent setzt sie auf ephemere Kunst: Vergängliche Arbeiten wie Ornamente aus Sand, die sie in situ – vor Ort – spontan entwickelt und als Fotoprojekte oder Künstlerbücher festhält.
Ihre aktuelle Ausstellung in der Galerie Schröder und Dörr bietet einen guten Überblick über die verschiedenen Werkgattungen, in denen die Künstlerin zuhause ist. Sie offenbaren Schopkas Lust an der Intuition, an der Inspiration durch die Natur, an der Freude bei der Verarbeitung von Fundstücken.
Wie in der Serie Telefonbuch-Herbarium: Alte Telefonbücher, die ihr von einer 94-jährigen Dame überlassen wurden. Darin fand sie gepresste Blumen, die Schopka mit Farbe und Typografie auf dem Blatt inszentiert. Die Vergänglichkeit ist im Ausgangsmaterial bereits angelegt, sie kombiniert die Botanische Arche Noah mit zufällig ausgewählten Adressaten des Buches. Das hat seinen Stellenwert als Navigator durch eine Gesellschaft längst eingebüßt und dem Digitalen Platz eingeräumt.
Lichtbild.IS entwickelte Schopka aus Unmengen von Fotos, die sie während ihrer Aufenthalte in Island macht. Kombiniert mit Leinwand und Malerei, welche die Künstlerin Schicht um Schicht aufträgt. Den Jahrmillionen an Erdgeschichte setzt sie den nicht endenwollenden, künstlerischen Schaffensprozess entgegen.
„In Island lebe ich quasi inmitten meines Exponats“, berichtet sie von ihren Aufenthalten auf dem zehn Quadratkilometer großen Stück Erde, das sie in einer kleinen Hütte mit ihrem Mann bewohnt. Karg und mit wenig Komfort. Ein Leben, dem sie Tag und Nacht immer neue Facetten abzuringen vermag.
Tausend Blüten
Kleister, Vulkanasche, Kaffeesatz und Blätter entwickelt Margret Schopka in den titelgebenden Arbeiten „Lyrische Verschmelzung“ zu Stücken, die sich jeder Kategorisierung entziehen. Gemälde, Skulptur, Objekt, auf Gaze gearbeitet – das lässt sich kaum fassen, ist Haut, Rinde, Waldboden und Vulkanlandschaft zugleich. Sie sprengt die Grenze von Flora und Fauna, von Gestern und Morgen, friert den Augenblick ein.
Hintersinnig das Werk „Ewige Hochzeitsreise“ – Rosen auf Watte gebettet, als Symbol von Reinheit, Ewigkeit, Liebe, aber auch von verkappten Dornen, die im weichen Blütenteppich lauern. Ein Werk im Dialog mit ihren Wandteppichen:
„Die Millefleurs-Wandteppiche der Renaissance haben mich zu den Tausendblüten-Teppichen inspiriert“, erklärt Schopka, die zu den stärksten Arbeiten der Ausstellung gehören. Die Wandteppiche seien ein Symbol der Macht gewesen, als wärmender Wandbehang zugleich aber auch ein kostbarer und luxuriöser Behelf in den kalten Behausungen vergangener Jahrhunderte.
„Du bist das Bruchstück einer Erde, die Dich einen Augenblick begleitet“ lautet der Text, den Schopka mit Seegras auf einen Teppich gesetzt hat. Sie zitiert damit einen befreundeten isländischen Dichter, der die Zeilen seiner verstorbenen Frau widmet.
Spuren der Zeit
Den aufgeschäumten Trägerstoff der beiden ausgestellten Teppiche hat sie nach und nach freigelegt, entwickelt so eine eigene Leinwand mit Patina, überarbeitet sie mit Farbe, frischen Blüten, Kleister. Und formt einen neuen, mächtigen Gobelin, den sie wie ein Tagebuch mit Spuren der Zeit versieht.
In der Serie „Vom Winde verweht“ treibt sie das Prinzip ephemerer Kunst auf die Spitze – fotografiert Tischdecken im Spiel des Windes, der stetig auf Island bläst. Und hinterfragt so das Wesen des Augenblicks, das Wesen der Zeit. Eine lyrische Parabel für die Vergänglichkeit.
Das wird auch in den Künstlerbüchern deutlich, die Schopka in der Ausstellung zeigt. Land-Art: Asche oder Mehl auf isländischem Schnee zu Ornamenten angeordnet, der Witterung ausgesetzt. Oder Kaffeebesuche: Arabeske auf Bistrotischen, die sie mit Spitzendecken und Kaffeesatz arrangiert und nach der Fotodokumentation wieder vernichtet. Oder die Strickstücke: Arbeiten aus Wolle, nachgelegt aus Sand und Asche, inspiriert aus isländischer Landschaft.
Erlösung
Ja, es gibt viel an Poesie und Vergänglichkeit zu entdecken im Werk von Margret Schopka. Aber man muss sich den Arbeiten gar nicht konzeptionell nähern. Ihre sanfte Wucht entfalten sie alleine schon durch Offenheit und Neugier, durch den Blick für das Detail, die Bereitschaft sich vom teils morbiden Charme der Arbeiten entführen zu lassen.
Und Margret Schopka gelingt zugleich eine wohltuende Leistung: Indem sie den Augenblick inszeniert, die Permanenz gegen die Vergänglichkeit austauscht, erlöst sie uns auf angenehme Weise vom Fetisch des Besitzes.
Und betont im Zeitalter der omnipräsenten Verfügbarkeit von Konsumgütern den besonderen Stellenwert der langsam verblassenden Erinnerung.